Produkthaftung des Herstellers einer Maschinenkomponente

Vertragsrecht

(Oberlandesgericht Frankfurt: 13 U 213/20)
Sofern der Lieferant einer Komponente oder Anlage seine Leistungen in einem Staat erbringt, ein etwaiger Fehler seines Produkts allerdings in einem anderen Staat, als Teil eines Gesamtprodukts, einen Schaden verursacht stellt sich die Frage, auf Basis welchen Rechts etwaige Ansprüche des Geschädigten gegenüber dem Lieferanten geltend gemacht werden können.
 

Tatbestand
In dem streitgegenständlichen Fall ging es um einen Anspruch der Klägerin mit Sitz in Italien gegen einen in Deutschland ansässigen Hersteller auf Schadensersatz in Höhe von 6.639.442, - Euro wegen sechs von der Beklagten hergestellten Legebatterien. Die erzeugt, verarbeitet und vertreibt Lebensmittel, insbesondere Eier und Eiprodukte. Die Beklagte stellt unter anderem Legebatterien für den Geflügelzuchtbedarf her.
Eine unmittelbare vertragliche Beziehungen zwischen der Klägerin und der Beklagten bestand nicht. Die Beklagte hatte die streitgegenständlichen Anlagen vielmehr an zwei Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden und Frankreich veräußert, welche wiederum Volierensysteme, in welchen die Legebatterien integriert wurden, an Leasingunternehmen mit Sitz in Italien verkauften, mit denen die Klägerin wiederum einen Leasingvertrag abschloss. Die sechs Legebatterien wurden in der Zeit von Juli bis Dezember 2010 in sechs Hallen in Stadt 3/Italien aufgebaut. Der Aufbau erfolgte durch die Firma A, welche zur Unterstützung Monteure der Beklagten hinzuzog. Nach der Fertigstellung der Montage kam es zu Problemen, insbesondere mit dem Eier- und dem Kottransport.

Im Mai 2011 leitete das Firma A (ursprünglicher Käufer von vier Legebatterien) ein selbständiges Beweisverfahren nach italienischem Recht gegen die Beklagte wegen Mängel der Legebatterien vor einem italienischen Zivilgericht in Stadt8 ein. Im Jahr 2014 reichte der Kläger ebenfalls vor dem Zivilgericht in Stadt8 eine Klage gegen den Beklagten ein und forderte Schadensersatz. Das Zivilgericht in Stadt8 stellte jedoch fest, dass das italienische Gericht zugunsten des deutschen Gerichts unzuständig war. Daraufhin erhob die Klägerin im Mai 2018 vor dem Landgericht Darmstadt eine Schadensersatzklage gegen die Beklagte, in der sie der Beklagten planerische und strukturelle Mängel sowie Fehlfunktionen der sechs Anlagen vorwarf. Die Klägerin stützt ihre Ansprüche auf eine deliktische Produzentenhaftung nach italienischem Recht, welche im Falle eines Produktfehlers auch den Ersatz eines Vermögensschadens vorsehe. Eine Verjährung sei nach italienischem Recht zudem noch nicht eingetreten.
Die Klage blieb sowohl vor dem Landgericht Darmstadt als auch vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main erfolglos.

Gründe
Strittig war zunächst in dem Fall, welches Recht für die Beurteilung der Ansprüche der Klägerin herangezogen wird, italienisches oder deutsches Recht. Das Landgericht hatte diese Frage -aus Sicht des OLG zu Unrecht- in seiner Entscheidung offengelassen. Die Klägerin stellte sich auf den Standpunkt, dass sich die Anwendbarkeit des italienischen Produkthaftungsrechts aus Art. 5 Abs. 1 lit. c) der sog. Rom II VO ergebe. Für den Laien: die Rom-II-Verordnung Nr. 864/2007 ist eine Verordnung der Europäischen Union, welche Regelungen zur Bestimmung zu dem auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendenden Rechts vorsieht, sofern solche Schuldverhältnisse einen Auslandsbezug aufweisen. Etwaige widersprüchliche Lösungen zwischen den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten sollen dadurch vermieden werden. Die Klägerin stützte ihre Argumentation, dass italienisches Recht zur Anwendung kommt, auf Art. 5 Abs. 1 lit. c) Rom II VO. Die Beklagte hingegen sah die Anwendbarkeit des deutschen Rechts als gegeben an. Die Anlagen seien an eine niederländische und französische Firma verkauft worden und die Übergabe sei jeweils in Deutschland erfolgt. Eine Montage der Anlage habe sie gegenüber keinem der Käufer geschuldet. 
Der Auffassung der Klägerin, dass im vorliegenden Fall gemäß Artikel 5 Absatz 1 der Rom-II-Verordnung italienisches Recht anwendbar sei, schloss sich das OLG Frankfurt nicht an. Artikel 5 Absatz 1 lit a. bis lit c) der Rom-II-Verordnung sieht für die Bestimmung des anwendbaren Rechts eine stufenweise Prüfung vor und knüpft hierbei an den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Geschädigten (lit. a), den Ort des Produkterwerbs (lit. b) oder des Schadenseintritts (lit. c.). Jede der drei Anknüpfungen ist jedoch nur dann anwendbar, wenn das Produkt auch in dem jeweiligen Staat, in dem sich der anzuknüpfende Sachverhalt ereignet, in Verkehr gebracht worden ist. Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte jedoch die sechs Legebatterien, welche sie an die niederländische Firma A und die französische Firma B verkauft hatte an einem näher bestimmten Ort in Deutschland zur Abholung bereitgestellt, mithin dort ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem jeweiligen Vertragspartner erfüllt. An dem Ort der Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten ist nach Ansicht des OLG Frankfurt auch die Inverkehrgabe zu knüpfen. Die Produkte waren also in Deutschland auf den Markt gebracht worden, nicht aber in Italien. In Italien wurden zwar die Volierensysteme von der Firma A in Verkehr gebracht, die als einziges Unternehmen vertraglich verpflichtet war, ihr Volierensystem in mehreren Hallen in Italien aufzustellen. Allerdings sei Gegenstand der Inverkehrgabe in Italien nicht die Legebatterie, sondern die Volierensysteme gewesen. Damit blieb nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom II VO nur übrig, an den gewöhnlichen Aufenthalt der Beklagten anzuknüpfen. Da diese ihren Sitz in Deutschland hatte, ware deutsches Recht anzuwenden.
Die von der Klägerin geltend gemachten Ersatzansprüche betrafen größtenteils Vermögensschäden. Das Vermögen ist aber weder nach dem Produkthaftungsgesetz noch nach der deliktischen Produzentenhaftung ein geschütztes Rechtsgut, so dass entsprechende Ersatzansprüche auch abgelehnt wurden. Übrig blieb der Klägerin daher nur der geltend gemachte Sachschaden an den Eiern, welche durch die gerügten Fehler der Legebatterie zerstört worden waren. Die Klägern berief sich insoweit auf die Feststellungen, welche im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens in Italien getroffen worden waren. Für das Verfahren in Deutschland waren diese Feststellungen allerdings nicht verwertbar. Dem stand nicht nur entgegen, dass nach § 493 Abs. 1 ZPO die Ergebnisse eines im Ausland vorgenommenen Beweissicherungsverfahrens nicht im Inland verwertbar sind, sondern auch, dass die Parteien der beiden Verfahren nicht identisch waren. Parteien des selbständigen Beweisverfahrens in Italien waren die Beklagte und Firma A, und nicht die Klägerin und die Beklagte. Nachdem die Klägerin im Weiteren in dem Verfahren in Deutschland versäumte, ihren Sachschaden näher zu substantiieren, wurde ihr auch diese Schadensposition nicht zuerkannt. 

Relevanz der Entscheidung
Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten eröffnen Art. 5 Abs. 1 lit. a bis lit. c Rom II VO die Möglichkeit, Produkthaftungsansprüche nach dem Recht eines Staates geltend zu machen, welcher nicht mit dem Recht des Staates übereinstimmt, in welchem der Hersteller seinen Sitz hat. Die hierfür vorgesehenen Anknüpfungspunkte erfordern allerdings allesamt, dass an dem jeweiligen Ort der Anknüpfung auch das Produkt in Verkehr gebracht wurde. 
Für den Fall der Lieferung eines Produkts ist nach dem Urteil des OLG Frankfurt auf den Ort abzustellen, an dem der Hersteller seine Leistungspflichten gegenüber seinem Vertragspartner mit der Übergabe seines Produkts erfüllt, nicht aber auf den Ort, an dem das Gesamtprodukt, in welches das Produkt als Bestandteil eingefügt wird, in Verkehr gebracht wird. Für den Lieferanten des (Teil-) Produkts ist das sicherlich begrüßenswert, da er nicht befürchten muss, durch die -von ihm in der Regel nicht beeinflußbare- Inverkehrgabe des Gesamtprodukts in anderen Staaten sich für einen Produktfehler nach dem Recht einer möglichen Vielzahl von Staaten aufgrund der Anknüpfungspunkte in Art. 5 Abs. 1 lit. a bis lit. c Rom II VO verantworten zu müssen.
 

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