Vertrieb eines Produkts ohne Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache

Produkthaftungsrecht Produktsicherheitsrecht Medizinprodukte

(LG Dortmund, Urteil vom 26. Januar 2021 – 25 O 192/20)

Sind bei der Verwendung eines Produkts Regeln zum Sicherheits- und Gesundheitsschutz zu beachten, so muss vom Verkäufer eine deutsche Gebrauchsanweisung gemäß § 3 Abs. 4 ProdSG verpflichtend beigefügt werden. Eine englischsprachige Gebrauchsanleitung genügt nicht. Dabei können aus entsprechenden Warnhinweisen des Herstellers in der Gebrauchsanweisung Rückschlüsse auf solche Regeln, die eine Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache erforderlich machen, gezogen werden.

Tatbestand

Der Beklagte vertreibt auf seiner Website ein kosmetisches Produkt, das er in deutscher Sprache bewirbt. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass die Beschreibung nur in englischer Sprache verfügbar sei. Das Produkt wurde jeweils auch lediglich mit einer Gebrauchsanweisung in englischer Sprache ausgeliefert. Der Beklagte war der Auffassung dies sei ausreichend, um seinen produktsicherheitsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Daraufhin wurde der Beklagte von der Klägerin auf Unterlassen des Vertriebs des Produktes ohne deutschsprachige Bedienungsanleitung verklagt, nachdem sich dieser zuvor geweigert hatte, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen.

 

Entscheidungsgründe

Das Gericht hat der Klage stattgegeben. Der Beklagte sei gem. § 3 Abs. 4 des Produktsicherheitsgesetzes (ProdSG) verpflichtet dem streitgegenständlichen Produkt eine Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache beizufügen.

In § 3 Abs. 4 ProdSG heißt es:

„Sind bei der Verwendung, Ergänzung oder Instandhaltung eines Produkts bestimmte Regeln zu beachten, um den Schutz der Sicherheit und Gesundheit von Personen zu gewährleisten, so ist bei der Bereitstellung auf dem Markt eine Gebrauchs- und Bedienungsanleitung für das Produkt in deutscher Sprache mitzuliefern, sofern in den Rechtsverordnungen nach § 8 keine anderen Regelungen vorgesehen sind.“

Dabei hat das Gericht das, den Anwendungsbereich der Norm eröffnende Erfordernis, bei der Verwendung des Produkts zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit von Personen bestimmte Regeln beachten zu müssen, aus den Angaben in der Original-Gebrauchsanweisung in englischer Sprache abgeleitet. Dort waren zahlreiche Warn- und Sicherheitshinweise enthalten. Dies sei ausreichend, um die Voraussetzungen des § 3 Abs. 4 ProdSG als erfüllt anzusehen.

 

Relevanz

Die Regelung in § 3 Abs. 4 ProdSG hat eine nicht zu unterschätzende Praxis-Relevanz. Das hat die Entscheidung des LG Dortmund erneut bestätigt. Die im Gesetz formulierte Beschränkung auf Fälle, bei denen bei der Verwendung Regelungen für den Sicherheits- und Gesundheitsschutz zu beachten sind, dürfte bei Verbraucherprodukten nahezu immer gegeben sein. Dieses Erfordernis ist eher weit auszulegen. Es dürfte in den allermeisten Fällen eine Möglichkeit denkbar sein, bei der eine nicht ordnungsgemäße Verwendung zu einer Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit des Benutzers führen könnte. Gleichzeitig ist es aber grundsätzlich immer eine Frage des Einzelfalles. Zur Beurteilung dessen können unter anderem die Warnhinweise, die Bedienungsanleitung und auch alle sonstigen produktbezogenen Informationen herangezogen werden.

Beachtlich ist im vorliegenden Fall insbesondere, dass das Gericht selbst keine konkrete Prüfung vorgenommen hat, ob nunmehr bei der Verwendung tatsächlich Regelungen für den Sicherheits- und Gesundheitsschutz zu beachten sind oder nicht. Es hat vielmehr ausreichen lassen, dass der Hersteller des Produktes Warnhinweise in die Gebrauchsanweisung aufgenommen hat und somit augenscheinlich selbst von der Beachtlichkeit solcher Regelungen ausgegangen ist.

Kurz gesagt: Das Gericht ist der Auffassung, wenn selbst der Hersteller meint es bestehen Gefahren, kann man von der diesbezüglichen Richtigkeit ausgehen.

Dies dürfte in den meisten Fällen auch tatsächlich zutreffen, ein solcher Rückschluss lässt sich allerdings aus keiner produktsicherheitsrechtlichen Norm herleiten. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Vorgehensweise in der Rechtsprechung etabliert.

Keine Erwähnung findet im Gesetz die Form, in der die Bedienungsanleitung übersendet werden muss. Grundsätzlich ist es ausreichend, wenn dem Käufer die Anleitung per E-Mail als PDF-Datei übermittelt wird (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 28. Februar 2019 – 6 U 181/17).

Gleichzeitig sollte man sich bewusst sein, dass es sich bei § 3 Abs. 4 ProdSG um eine Marktverhaltensregelung handelt, sodass hier wettbewerbsrechtliche Abmahnungen und Unterlassungsklagen gem. § 8 Abs. 1 UWG möglich sind. Gerade wettbewerbsrechtliche Abmahnungen lösen in vielen Fällen hohe Kosten aus, die grundsätzlich vermeidbar sind. Aus diesem Grund ist beim Thema Gebrauchsanweisung erhöhte Vorsicht geboten.

Zu beachten ist hierbei allerdings, dass die Regelung aus § 3 Abs. 4 ProdSG nur dann Anwendung findet, wenn keine speziellere Bestimmung aus besonderem Produktsicherheitsrecht besteht (wie z.B. bei Maschinen und Aufzügen).

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